Marc Chagall

Zu den herausragenden Werken der Sammlung Im Obersteg gehören vier Gemälde Chagalls, ein Selbstbildnis und drei Darstellungen alter Juden, die drei so genannten «grossen Rabbiner». Die Forschung ist sich darüber einig, dass es sich dabei um vier der bedeutendsten Werke handelt, die Chagall zu Beginn seiner zweiten russischen Periode (1914-1922) in Witebsk geschaffen hat, als er wegen Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht mehr, wie ursprünglich geplant, nach kurzem Aufenthalt in seiner Heimat wieder nach Paris zurückkehren konnte.
Die drei monumentalen Judenbildnisse, Porträts alter Bettler, und das etwas kleinere Selbstbildnis vereinen eine in der Auseinandersetzung mit Kubismus, Orphismus und Fauvismus gewachsene Formen- und Farbensprache mit jüdischer Thematik und erdhaftem Wirklichkeitsbezug. Geschaffen in einer Zeit der Verfolgung und Zerstörung der ostjüdischen Tradition und Lebensform durch die russische Revolution und den Ersten Weltkrieg sind sie wichtige Dokumente dieser bedrohten Kultur. Die Bedeutung dieser Werke spiegelt sich auch im Umstand, dass sie bereits 1915-17 von einem russischen Sammler, Alexandre Kagan-Chabchay, in Hinblick auf die Realisierung eines Museums jüdischer Kunst angekauft wurden. Karl Im Obersteg erwarb sie 1936, zusammen mit den heute nicht mehr in der Sammlung befindlichen Gemälden Über Witebsk und Festtag bei Kagan-Chabchay in Paris und zählte somit zu den frühesten Sammlern und Kennern der Kunst Chagalls.

Aufsatz Anette Weber, PDF, 382 KB