Paul Cézanne - Baigneur assis au bord de l’eau

Cézanne beschäftigte sich seit Beginn der siebziger Jahre mit dem Thema der «Badenden»: Die intensive Auseinandersetzung in über 200 Ölgemälden, Aquarellen und Zeichnungen gipfelte in der Serie der Baigneurs von 1892-94, vor allem in den drei monumentalen Gemälden Les grandes baigneuses seines Spätwerkes. Im Gegensatz zu den Landschaften sind die Badenden nicht vor dem Motiv in der Natur sondern im Atelier nach Skizzen entstanden. Cézanne griff auf Skizzenmaterial zurück, das Jahre zuvor im Atélier Suisse entstanden war und er studierte die Aktdarstellungen alter Meister in den Museen. Doch er nahm davon Abstand, seine Gemälde nach lebenden Aktmodellen zu realisieren. So ist das Thema weniger aus dem Leben als aus der Kunst gegriffen. Die Haltung des Baigneur assis au bord de l’eau erinnert, obwohl sie seitenverkehrt ist, an Rembrandts 1654 entstandene Bathesba im Louvre. Tatsächlich hat Cézanne wenige Jahre zuvor eine freie Kopie dieses Meisterwerkes angefertigt.

Cézanne hatte sich eine gewisse Anzahl von Figurentypen geschaffen, die er in den verschiedenen Gemälden der Badenden immer wieder einsetzte. Der sitzende Badende erscheint leicht variiert in vielen verschiedenen Werken immer auf der linken Bildseite, meist an einen Baum gelehnt.

Unter den wenigen Gemälden des 19. Jahrhunderts der Sammlung Im Obersteg ist es das älteste und sicherlich das bedeutendste. Karl Im Obersteg, durch dessen Sammlung Leid und Mitleid sich leitmotivisch zieht, dürfte daran die Isolierung eines Menschen aus seinem Umfeld angesprochen haben; obgleich von Cézanne nicht so intendiert, kann es als Chiffre für Entblössung, Vereinsamung, ja proto-existenzialistisches Ausgestossensein betrachtet werden. In engem Zusammenhang mit diesem Bild steht eine im Basler Kupferstichkabinett bewahrte Zeichnung Cézannes (Inv. KK 1934.210).

Aufsatz Gian Casper Bott, PDF, 113 KB

Provenance

Auguste Pellerin, Paris
Galerie Tanner, Zürich
Paul Guillaume, Paris
Zwischen 1930 und 1936 erworben bei Paul Guillaume, Paris, von Karl Im Obersteg

Literature

Alexandre 1930
Arsène Alexandre: L'Exposition Cézanne à la galerie du Théâtre Pigalle, in: La Renaissance, Jg. 13, Paris 1930, S. 75, Abb. S. 75

George [1930]
Waldemar George: La Grande Peinture Contemporaine à la Collection Paul Guillaume, Paris [1930], S. 48, Abb. S. 53 (Nu assis)

Raynal 1936
Maurice Raynal: Cézanne (Initiation à la Moderne), Paris: Editions de Cluny, 1936, Abb. S. 132

Venturi 1936
Lionello Venturi: Cézanne. Son art, son oeuvre, Paris: Paul Rosenberg Editeur, 1936, S. 123 (Bd. 1), Nr. 260, Abb. (Bd. 2, Nu assis en plein air)

Gatto/Orienti 1970
Alfonso Gatto und Sandra Orienti: L'opera completa di Cézanne (Classici dell'Arte), Mailand: Rizzoli Editore, 1970, Nr. 292, Abb. S. 99 (Uomo seduto)

Baumgartner/von Tavel 1995
Michael Baumgartner und Hans Christoph von Tavel: Die Sammlung Karl und Jürg Im Obersteg, hrsg. von der Stiftung «Sammlung Karl und Jürg Im Obersteg», Bern, Bern: Benteli Verlag, 1995, S. 34-36, Nr. 1, Abb. (Nu en plein air)

Rewald 1996
John Rewald: The Paintings of Paul Cézanne. A Catalogue Raisonné, 2 Bde., New York: Harry N. Abrams, Inc. 1996, S. 181 (Bd. 1), Nr. 263, Abb. S. 85 (Bd. 2)

Ballas 2002
Guila Ballas: Cézanne. Baigneuses et Baigneurs. Thème et Composition, Paris 2002, S. 194, 293, Nr. 131, Abb. (Baigneur assis)

Exhibitions

Basel 1936
Paul Cézanne, Kunsthalle Basel, 30. Aug.-12. Okt. 1936, hrsg. von Kunsthalle Basel, 1936, Nr. 19, Abb. (Sitzender Akt im Freien)

Bern 1975
Sammlung Im Obersteg, bearb. von Hugo Wagner, hrsg. von Kunstmuseum Bern, 25. Juni-14. Sept. 1975, Nr. 11, Abb. (Nu assis en plein air)

Basel 1989
Paul Cézanne: Die Badenden, Kunstmuseum Basel, 1989, hrsg. von Mary Louise Krumrine, mit Beiträgen von Gottfried Boehm und Christian Geelhaar, Basel: Kunstmuseum; Zürich: Schweizer Verlagshaus, 1989, S. 168, 312, Nr. 21, Abb. S. 169

Wien 2003
Im Banne der Moderne: Picasso, Chagall, Jawlensky, BA-CA Kunstforum, Wien, 4. Sept.-30. Nov. 2003, Nr. 10

Basel 2004
Die Sammlung Im Obersteg im Kunstmuseum Basel. Picasso, Chagall, Jawlensky, Soutine, Kunstmuseum Basel, 14. Febr.-2. Mai 2004, hrsg. von der Stiftung Im Obersteg, Basel: Schwabe Verlag, 2004, Nr. 37

Basel 2017
Der verborgene Cézanne. Vom Skizzenbuch zur Leinwand, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Basel, 10. Juni bis 24. September 2017, hg. von Anita Haldemann, mit Beiträgen von Oskar Bätschmann, Anita Haldemann, Henrike Hans, Fabienne Ruppen, Annegret Seger, Richard Shiff, Matthew Simms, München, London und New York: Prestel 2017, Nr. 84, Abb. S. 127

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