Cuno Amiet - Nelkenbukett

In seiner Frühzeit malte Cuno Amiet einige wenige Blumenstillleben; Figuren und Landschaften standen im Vordergrund. Nach der Wende zum 20. Jahrhundert, in der zweiten Hälfte des ersten Jahrzehnts, nahm er das Thema auf, begünstigt durch die liebevoll gepflegte Blütenpracht seines grossen Gartens auf der Oschwand. Zeitlebens wandte er sich dem Sujet immer wieder zu; charakteristische Elemente seiner stilistischen Entwicklung lassen sich anhand dieser Werkreihe aufzeigen. Heben sich die einzelnen Blütenformen um 1906 bis 1908 noch statisch, flächig-kompakt und cloisonnistisch umrandet vom Hintergrund ab, lassen sie in den folgenden Jahren, als Amiet in künstlerischem Austausch mit den Malern der «Brücke» stand, eine grössere Lockerung und Bewegtheit in der Pinselführung erkennen. Im vorliegenden Stillleben scheint die gesamte Komposition von einem Wirbel erfasst. In konzentrischem Rhythmus verläuft die Bewegung von der Mitte, wo sich tiefe Farbklänge und -kontraste und pastose Pinselstriche sammeln, zum Hintergrund, auf dem die Pinselzüge sich in farblich sanften Stufungen und formaler Gelöstheit zum Bildrand hin fortsetzen. Gerade die formale Offenheit der Streifen, Punkte und Wellenlinien unterscheidet sich wesentlich von den fest gefügten Streifenmustern im Bildgrund früherer Gemälde, die auf die linearen Strukturen einiger Künstler von Pont-Aven und van Goghs zurückgehen. Karl Im Obersteg erwarb das virtuose «Nelkenstück» im Herbst 1916 bei Amiet auf der Oschwand als erstes Gemälde seiner persönlich geprägten Kunstsammlung. Diese frühe Begegnung zwischen dem Künstler und dem Sammler führte nicht nur zu einer lebenslangen Freundschaft, Amiet machte den Geschäftsmann 1919 im Tessin auch mit russischen Künstler-Emigranten bekannt, darunter Alexej von Jawlensky, dessen Werke einen Schwerpunkt der Sammeltätigkeit Karl Im Oberstegs bilden sollten.

Aufsatz Viola Radlach, PDF, 151 KB

Provenance

1916 erworben beim Künstler von Karl Im Obersteg

Littérature

Baumgartner/von Tavel 1995
Michael Baumgartner und Hans Christoph von Tavel: Die Sammlung Karl und Jürg Im Obersteg, hrsg. von der Stiftung «Sammlung Karl und Jürg Im Obersteg», Bern, Bern: Benteli Verlag, 1995, S. 166-169, Nr. 102, Abb.

Mentha/Zaugg 2002
Henriette Mentha und Urs Zaugg: Cuno Amiet und die Schicksalsnacht in München, Broschüre zur Ausstellung «Cuno Amiet - entflammt. In München verbrannt, am Thunersee neu geschaffen», Oberhofen: Stiftung Karl und Jürg Im Obersteg, 2002, S. 18, Abb. S. 19

Expositions

Bern 1975
Sammlung Im Obersteg, bearb. von Hugo Wagner, hrsg. von Kunstmuseum Bern, 25. Juni-14. Sept. 1975, Nr. 1, Abb.

Wien 2003
Im Banne der Moderne: Picasso, Chagall, Jawlensky, BA-CA Kunstforum, Wien, 4. Sept.-30. Nov. 2003, Nr. 2

Basel 2004
Die Sammlung Im Obersteg im Kunstmuseum Basel. Picasso, Chagall, Jawlensky, Soutine, Kunstmuseum Basel, 14. Febr.-2. Mai 2004, hrsg. von der Stiftung Im Obersteg, Basel: Schwabe Verlag, 2004, Nr. 3

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