Alexej von Jawlensky - Selbstbildnis

Die für Jawlenskys Gesamtwerk charakteristische Auseinandersetzung mit dem menschlichen Gesicht äussert sich seltsamerweise nur siebenmal in Selbstporträts. Vier davon entstanden 1911/1912, eines befindet sich in der Sammlung Im Obersteg. Es ist das erste dieser Serie und ist 1911 in Prerow an der Ostsee entstanden.
Das Bild weist ein fast quadratisches Format auf und zeigt uns den blockhaften Oberkörper und das Porträt des Künstlers im Dreiviertelprofil im Alter von 47 Jahren. Das Gesicht fügt sich aus eigenwilligen Farbflecken zusammen. Bart und Haupthaar heben sich in kontrastreichem Grün-Gelb vom rot-orangenen Gesicht ab. Der zum Strich verdünnte Mund und die unter zusammengezogenen Brauen hervorstechenden blauen Augen zeigen Entschlossenheit. Der runde Kopf ruht auf einem Stehkragen wie auf einem Säulenschaft, als sollte uns der Eindruck von Kraft und Stabilität vermittelt werden. Schultern und Oberkörper im roten Gewand werden umschlossen von einer schwarzen Konturierung und bilden eine geschlossene solide Basis. Hinter der kraftvollen Erscheinung des Künstlers, der sich hier ohne Maluntensilien zeigt, erscheint der monochrom blaue Hindergrund wie ein Himmel.

Jawlensky ist nun ein anerkannter Maler, der über den Kontakt zu Henri Matisse zu einer neuartigen Farbgebung gefunden hat. 1905 hatte er Matisse in Paris persönliche kennen gelernt und wurde durch das Studium seiner Werke mit den Möglichkeiten einer vom Motiv befreiten Farborchestrierung, die dem unmittelbaren Ausdruck des Emotionalen diente, vertraut gemacht. Die Vereinfachung der Formen und das Gestalten mit modulierenden Farbflecken zeigen zudem eine Auseinandersetzung mit der Lehre und Malerei Paul Cézannes.

Provenienz

1928 (Weihnachten) erworben beim Künstler von Karl Im Obersteg

Literatur

Weiler 1959
Clemens Weiler: Alexej Jawlensky, Köln: Verlag M. DuMont Schauberg 1959, Nr. 89, Abb. S. 169

Weiler 1970
Clemens Weiler: Alexej Jawlensky. Köpfe - Gesichte - Meditationen, Hanau: Peters 1970, S. 112

Jawlensky 1991/1998
Maria Jawlensky, Lucia Pieroni-Jawlensky, Angelica Jawlensky: Alexej von Jawlensky. Catalogue Raisonné, 4 Bde., London: Sotheby's Publications 1991-1998, Bd. 1, S. 299, Nr. 378, Abb. S. 302

Baumgartner/von Tavel 1995
Michael Baumgartner und Hans Christoph von Tavel: Die Sammlung Karl und Jürg Im Obersteg, hrsg. von der Stiftung «Sammlung Karl und Jürg Im Obersteg», Bern, Bern: Benteli Verlag, 1995, S. 98, Nr. 49, Abb.

Affentranger 2000
Angelika Affentranger-Kirchrath: Jawlensky. Das andere Gesicht. Begegnungen mit Arp, Hodler, Janco, Klee, Lehmbruck, Richter, Taeuber-Arp, Bern: Benteli Verlag 2000, S. 233, Abb. S. 20

Ausstellungen

Basel 1957
Alexej von Jawlensky 1864-1941, Galerie Beyeler, Basel 1957, Nr. 28

Bern 1975
Sammlung Im Obersteg, bearb. von Hugo Wagner, hrsg. von Kunstmuseum Bern, 25. Juni-14. Sept. 1975, Nr. 37, Abb.
Bern 1986/1987
Der Blaue Reiter, Kunstmuseum Bern, 21. Nov. 1986-15. Feb. 1987, hrsg. von Hans Christoph von Tavel, 1986, Nr. 17, Abb. S. 33

Essen 1998
Alexej von Jawlensky: die wiederaufgefundenen Aquarelle. Das Auge ist der Richter: Aquarelle, Gemälde, Zeichnungen, Museum Folkwang, Essen 1998, hrsg. von Georg-W. Költzsch und Michael Bockemühl, Essen 1998, Nr. 17, Abb. S. 124

Riehen 2000
Farbe zu Licht, Fondation Beyeler, Basel, 16. Apr.-30. Juli 2000, mit Beiträgen von Ernst Beyeler, Reinhold Hohl und Markus Brüderlin, hrsg. von Fondation Beyeler, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz Verlag, 2000, S. 164, Nr. 30, Abb. S. 67

Wien 2003
Im Banne der Moderne: Picasso, Chagall, Jawlensky, BA-CA Kunstforum, Wien, 4. Sept.-30. Nov. 2003, Nr. 28

Basel 2004
Die Sammlung Im Obersteg im Kunstmuseum Basel. Picasso, Chagall, Jawlensky, Soutine, Kunstmuseum Basel, 14. Febr.-2. Mai 2004, hrsg. von der Stiftung Im Obersteg, Basel: Schwabe Verlag, 2004, Nr. 94

zurück