Sammlungsgeschichte

Der Basler Spediteur und Kunstkenner Karl Im Obersteg (1883-1969) und sein Sohn Jürg (1914-1983), Professor für Gerichtsmedizin, sammelten während rund siebzig Jahren internationale Kunst des 20. Jahrhunderts. Ein eigentliches Sammlungskonzept lag nie vor, vielmehr prägten Freundschaften mit Künstlern die jeweiligen Ankäufe. Dabei bildete nicht nur die Ausdruckskraft der Farbe eine leitmotivische Konstante, sondern auch der eindringliche bis melancholische Blick auf die menschliche Existenz. Karl Im Obersteg erwarb 1916 sein erstes Gemälde, ein Blumenstillleben von Cuno Amiet. Die Farbe als Dynamisierung des Figürlichen war bereits in diesem Bild angelegt und sollte Im Obersteg die künstlerische Blickrichtung weisen. Wir finden sie in strahlender Kraft bei Jawlensky, Klee und Kandinsky. Durch Melancholie und Mystik tiefer klingend erscheint sie in Werken von Chagall, Nolde, Picasso, Rouault und Soutine. Wenngleich sich Im Obersteg in seiner Ankaufstätigkeit stark nach Paris ausrichtete, ist es bemerkenswert, dass fünf Russen (Chagall, Genin, Jawlensky, Kandinsky, Soutine) zu den Schwerpunkten der heute rund 200 Werke umfassenden Sammlung zählen. Die subtile Kombination von sinnlicher Farbigkeit und mystischem Empfinden mag der Grund dafür sein. Die Mittel waren keineswegs unbegrenzt, so dass es immer wieder auch zu Verkäufen von Werken kam, um eine Präzisierung der sehr persönlichen Sammlung möglich zu machen. Bewusst wurden denn auch ein kleines aber programmatisches Werk des Begründers der Moderne, Paul Cézanne, und eine Version von Auguste Rodins La petite ombre an den Anfang der Kollektion gestellt. 

Salon im Hause Doris und Jürg Im Obersteg an der Petersgasse, Basel

Nach dem Zweiten Weltkrieg öffnete sich der Sammler in den fünfziger Jahren auch gegenüber neuen künstlerischen Tendenzen. So wurden Werke von jüngeren Vertretern der «Ecole de Paris» erworben mit dem heute eher kritisch beurteilten Existentialismus von Bernard Buffet als Schwerpunkt. Farbbestimmte Abstraktion wurde nun bei Serge Poliakoff und Jean-Paul Riopelle zum Thema. Der Entdecker der «Art brut», Jean Dubuffet, fand ebenso Eingang in die Sammlung, wie die unkonventionellen Materialbilder von Antoni Tàpies. 

Salon im Hause Karl Im Obersteg im Gellert, Basel

Jürg Im Obersteg blieb nach dem Tode des Vaters 1969 nur wenig Zeit, die Sammlung in seinem Sinne weiterzuführen. Dennoch erkennt man, dass es Jürg und Doris Im Obersteg-Lerch um eine Ergänzung des Bestehenden ging: Marianne von Werefkin gehörte zum Asconeser Künstlerkreis, der Karl Im Obersteg 1919 zur Auseinandersetzung mit der Kunst führte, Lyonel Feininger zu den mit Jawlensky, Kandinsky und Klee stark in der Sammlung vertretenen «Blauen Vier». Mit Inkunabeln von Alexander Rodtschenko und Theo van Doesburg wird der Figuration die frühe konkrete Moderne gegenübergestellt. Mit Louis Soutter erweitert sich der durch Jean Dubuffet geöffnete Ausblick in die «Art brut».