Pablo Picasso - Femme dans la loge / [verso : Buveuse d'absinthe]

Das Bildnis ist im Frühjahr 1901 entstanden. Es befindet sich auf der Rückseite des Gemäldes Buveuse d’absinthe. Der knapp 20-jährige Pablo Picasso hielt sich zum zweiten Mal in Paris auf. Er arbeitete im Milieu der Bohème am Montmartre, besuchte Bars, Cafés und Varietés, wo er seine Sujets fand. Erstmals konnte er sich direkt mit der aktuellen Malerei Frankreichs auseinandersetzen: mit van Gogh, Toulouse-Lautrec, Manet, Monet, Degas etc. In einer Zeit als es noch keine Farbreproduktionen gab, hatte der junge Picasso allen Grund, die Meisterwerke in Paris sehen zu wollen. Femme dans la loge demonstriert die Freiheit der impressionistischen Pinselführung, die es ermöglicht den flüchtigen Augenblick virtuose festzuhalten. Mit neuartigem Selbstbewusstsein unterschrieb Picasso fortan seine Werke nur noch mit dem Namen seiner Mutter, während er zuvor noch mit «Pablo Ruiz Picasso» signierte. Der offene, skizzenhafte Strich und der unterschiedliche Ausführungsgrad der einzelnen Bereiche des Porträts lassen an einen nicht fertigen Zustand des Bildes denken. Der Umstand, dass sich auf der Rückseite der Leinwand das signierte Gemälde buveuse d’absinthe befindet, lässt vermuten, dass Picasso das Bildnis femme dans la loge verworfen hat. Finanzielle Überlegungen liessen den Künstler wohl die Rückseite der Leinwand wieder verwenden. Reste einer schwarzen Malschicht zeigen zudem, dass das Bild Femme dans la loge einmal ganz oder teilweise übermalt wurde. Das Gesagte macht deutlich, dass es sich bei der doppelseitig bemalten Leinwand Femme dans la loge / Buveuse d’absinthe um ein Schlüsselwerk handelt, das den Wechsel von der frühen expressionistischen Zeit zu der ersten eigenständigen Phase der blauen Periode dokumentiert.

Provenienz

Galerie Justin Thannhauser, München
bis 1925 Galerie Bollag, Zürich
1925 erworben bei der Galerie Bollag, Zürich, von Karl Im Obersteg

Literatur

Zervos 1932/1978
Christian Zervos: Pablo Picasso. Catalogue raisonné des peintures et dessins, 33 Bde., Paris 1932-1978, Bd. 21, Nr. 264, Abb. 101

Daix/Boudaille 1966
Pierre Daix und Georges Boudaille, Werkverzeichnis in Zusammenarbeit mit Joan Rosselet: Picasso 1900-1906. Catalogue raisonné de l'oeuvre peint, Neuchâtel: Ides et Calendes, 1966, S. 187, Nr. V. 71, Abb.

Palau i Fabre 1981
Josep Palau i Fabre: Picasso. Kindheit und Jugend eines Genies 1881-1907, München: Prestel-Verlag, 1981, S. 535, Abb. S. 258

Warncke 1991
Carsten-Peter Warncke: Pablo Picasso 1881-1973, 2 Bde., Köln: Benedikt Taschen Verlag, 1991, Bd. 1, Abb. S. 66

Baumgartner/von Tavel 1995
Michael Baumgartner und Hans Christoph von Tavel: Die Sammlung Karl und Jürg Im Obersteg, hrsg. von der Stiftung «Sammlung Karl und Jürg Im Obersteg», Bern, Bern: Benteli Verlag, 1995, S. 46-48, Nr. 6, Abb.

Monteil 1998
Annemarie Monteil: Sammlung Karl und Jürg im Obersteg, in: Die Kunst zu sammeln. Schweizer Kunstsammlungen seit 1948, hrsg. vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft, Zürich 1998, S. 153-160, Abb. 5

Ausstellungen

Bern 1975
Sammlung Im Obersteg, bearb. von Hugo Wagner, hrsg. von Kunstmuseum Bern, 25. Juni-14. Sept. 1975, Nr. 67, Abb.

Basel 1976
Picasso. Aus dem Museum of Modern Art New York und Schweizer Sammlungen, Kunstmuseum Basel, Basel 1976, S. 16, Nr. 2, Abb.

Bern 1984/1985
Der junge Picasso. Frühwerk und Blaue Periode, Kunstmuseum Bern, 8. Dez. 1984-17. Feb. 1985, bearb. von Glaesemer, Jürgen (Hrsg.) und Marilyn McCully (sachberatende Mitarbeit), Bern 1984, Nr. 129 a, Abb. S. 232

Bern 2001
Picasso und die Schweiz. Meisterwerke aus Schweizer Sammlungen, Kunstmuseum Bern, 5. Okt. 2001-6. Jan. 2002, Hrsg. Marc Fehlmann, Toni Stooss, Bern: Stämpfli, 2001, Nr. 9, Abb.

Wien 2003
Im Banne der Moderne: Picasso, Chagall, Jawlensky, BA-CA Kunstforum, Wien, 4. Sept.-30. Nov. 2003, Nr. 53

Basel 2004
Die Sammlung Im Obersteg im Kunstmuseum Basel. Picasso, Chagall, Jawlensky, Soutine, Kunstmuseum Basel, 14. Febr.-2. Mai 2004, hrsg. von der Stiftung Im Obersteg, Basel: Schwabe Verlag, 2004, Nr. 147

Basel 2013
Die Picassos sind da! Eine Retrospektive aus Basler Sammlungen, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Basel, 17. März – 21. Juli 2013, kuratiert von Anita Haldemann und Nina Zimmer, mit Beiträgen von Anita Haldemann, Henriette Mentha, Christian Spies, Anne-Christine Strobel, Seraina Werthemann und Nina Zimmer, Ostfildern: Hatje Cantz, 2013, S. 26, 74, Nr. 1, Abb. S. 60

Paris 2018/2019
Picasso. Bleu et rose, Ausst.-Kat. Musée d'Orsay, Paris, 18. Sept. 2018 – 6. Jan. 2019; Fondation Beyeler, Riehen, 3. Febr. – 26. Mai 2019, Hrsg. Annie Dufour, Paris: Éditions Hazan, 2018, S. 75, 355, Nr. 67, Abb. S. 99

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