Pablo Picasso - Nu couché

Das kleine Gemälde Nu couché von 1934 steht mit seinem Motiv des liegenden weiblichen Aktes in einer langen Tradition. Im Werk Picassos wird der liegende Akt in den zwischen 1930 und 1936 entstandenen Bildern von Marie-Thérèse Walter zentral, zu denen auch das Gemälde der Sammlung Im Obersteg zählt. Das Bild ist auf den 16. Juni 1934 datiert und ist Teil einer Reihe von Aktbildern nach Picassos damaliger heimlichen Geliebten. Picasso malte das Bild im Atelier in Boisgeloup, einem Schloss in der Normandie, das er im Frühjahr 1930 gekauft hatte. In den geräumigen Wirtschaftsgebäuden des Schlosses entstanden viele seiner grossen Skulpturen, die aufs engste mit der Figur von Marie-Thérèse verbunden sind. Picasso lernte die junge Marie-Thérèse Walter am 8. Januar 1927 zufällig in den Strassen von Paris kennen. Er sprach sie an mit den Worten «Mademoiselle, Sie haben ein interessantes Gesicht. Ich würde Sie gerne porträtieren. Ich habe das Gefühl, wir werden grossartige Dinge zusammen machen». Der Künstler, der damals mit der Tänzerin Olga Koklowa verheiratet war, hatte in den folgenden Jahren eine intensive heimliche Beziehung zu der erst 17-jährigen Marie-Thérèse Walter. Viele Liebesbriefe des Künstlers an Marie-Thérèse, in denen ihr Name als MT verschlüsselt erscheint, bezeugen seine leidenschaftlichen Gefühle der jungen Frau gegenüber. Das immer wiederkehrende Thema dieser Briefe ist die verschlingende Liebe Picassos. Und so sind auch die Porträts der schlafenden Marie-Thérèse Ausdruck seiner Liebespoesie: «Ich sehe dich vor mir, meine schöne Landschaft MT, und werde nicht müde, Dich zu betrachten, wie Du auf dem Rücken ausgestreckt im Sand liegst, mein Liebling MT, ich liebe Dich. MT, meine aufgehende Sonne, die mich verschlingt. Du bist immer auf mir, MT, Mutter der glitzernden Düfte, mit Sternjasminen übersät. Ich liebe Dich mehr als den Geschmack Deines Mundes, mehr als Deinen Blick, mehr als Deine Hände, mehr als Deinen ganzen Körper, mehr und mehr ... » In der Zeit der acht Jahre dauernden Beziehung erscheint die junge Geliebte in unzähligen Werken. Er malte sie lesend oder als Spiegelbild und sehr oft schlafend, was für den Maler die intimste Art der Darstellung war. Die vereinfachte, gebogenen Linie ihres griechischen Profils von der Stirn bis zur Nase wurde zu ihrem Kennzeichen.

Provenienz

1936 erworben bei Paul Rosenberg, Paris, von Karl Im Obersteg

Literatur

Zervos 1932/1978
Christian Zervos: Pablo Picasso. Catalogue raisonné des peintures et dessins, 33 Bde., Paris 1932-1978, Bd. 7, Nr. 403, Abb. 178

Baumgartner/von Tavel 1995
Michael Baumgartner und Hans Christoph von Tavel: Die Sammlung Karl und Jürg Im Obersteg, hrsg. von der Stiftung «Sammlung Karl und Jürg Im Obersteg», Bern, Bern: Benteli Verlag, 1995, S. 52-54, Nr. 8, Abb.

Ausstellungen

Bern 1975
Sammlung Im Obersteg, bearb. von Hugo Wagner, hrsg. von Kunstmuseum Bern, 25. Juni-14. Sept. 1975, Nr. 68, Abb.

Bern 2001
Picasso und die Schweiz. Meisterwerke aus Schweizer Sammlungen, Kunstmuseum Bern, 5. Okt. 2001-6. Jan. 2002, Hrsg. Marc Fehlmann, Toni Stooss, Bern: Stämpfli, 2001, Nr. 108, Abb.

Wien 2003
Im Banne der Moderne: Picasso, Chagall, Jawlensky, BA-CA Kunstforum, Wien, 4. Sept.-30. Nov. 2003, Nr. 55

Basel 2004
Die Sammlung Im Obersteg im Kunstmuseum Basel. Picasso, Chagall, Jawlensky, Soutine, Kunstmuseum Basel, 14. Febr.-2. Mai 2004, hrsg. von der Stiftung Im Obersteg, Basel: Schwabe Verlag, 2004, Nr. 149

Bern 2010
Klee trifft Picasso, Ausst.-Kat. Zentrum Paul Klee, Bern: 6. Juni – 26. Sept. 2010, mit Beiträgen von Christine Hopfengart, Hrsg. Zentrum Paul Klee, Bern, Ostfildern: Hatje Cantz Verlag, 2010, Abb. S. 189

Basel 2013
Die Picassos sind da! Eine Retrospektive aus Basler Sammlungen, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Basel, 17. März – 21. Juli 2013, kuratiert von Anita Haldemann und Nina Zimmer, mit Beiträgen von Anita Haldemann, Henriette Mentha, Christian Spies, Anne-Christine Strobel, Seraina Werthemann und Nina Zimmer, Ostfildern: Hatje Cantz, 2013, S. 26, 108, 154, Nr. 65, Abb. S. 144

Bern 2016/2017
Paul Klee und die Surrealisten, Ausst.-Kat. Zentrum Paul Klee, Bern, 18. Nov. 2016 – 12. März 2017, mit Beiträgen von Michael Baumgartner, Kai-Inga Dost, Guitemie Maldonado, Osamu Okuda, Jürgen Pech, Anne-Sophie Petit-Emptaz, Hans-Peter Wittwer, Hrsg. Michael Baumgartner und Nina Zimmer, Berlin: Hatje Cantz, 2016, S. 178, Nr. 157, Abb. S. 209

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